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Checkpoint Charlie’s Hitchhike Lady
geb. 15.11.2000 - verstorben August 2012 HD A, frei von erbl.
Augenkrankheiten 07/2002 + 10/2003 - audiometrisch getestet
Liebe allein...? - Der Bobtail-Pelz Lady’s Geschichte
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Welcher Züchter schreibt schon gerne öffentlich über seine gescheiterten Welpenabgaben? Keiner – aber ich habe mich überreden lassen. Warum? Weil ich
denke, daß das auch mal wichtig ist für alle eifrig lesenden Hundeeltern, langjährigen Züchter mit gleichen Erfahrungen und Züchtern, die es werden wollen.
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Ende Mai 2002 habe ich eine anderthalbjährige Hündin aus meinem H-Wurf zurückholen müssen - Checkpoint Charlie’s Hitchhike Lady - eine Abgabe, bei der ich
wieder mal etwas „Bauchschmerzen“ hatte: Das zukünftige Herrchen selbständig mit bestimmt viel zu wenig Zeit für einen Welpen, aber die Eltern im gleichen Haus mit Bernhardiner-Erfahrung haben mich
beruhigt und zustimmen lassen. Das Herrchen ist dann schwer erkrankt, ins Krankenhaus auf unabsehbare Zeit gekommen und so ist Lady schon im darauffolgenen Herbst ohne mein Wissen gänzlich bei den Eltern
gelandet.
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Der Vater wurde auch schwer krank und die Mutter allein war nicht in der Lage, ein halbwüchsiges, kräftiges OES-Mädchen zu händeln, zu erziehen und zu
pflegen. Es ist aber auch keiner rechtzeitig auf die Idee gekommen, den Züchter anzurufen! Dann überrascht mich Ende April 2002 der Anruf per Handy auf der Schweizer Clubshow...
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Ich erzähle jedem Welpen-Interessenten die tollsten Horror-Storys über die abartig aufwendige Pflege eines OES – entweder hat sich das Interesse an so
einem Hund gänzlich erledigt oder aber sie lachen schmunzelnd mit der Bemerkung: Alles kein Problem! Doch leider können sich die wenigsten wirklich vorstellen was es bedeutet, einen immer gut gepflegten
OES durch alle Altersstufen zu bringen. Schon oft habe ich im Nachhinein hören müssen: „Sie haben uns das alles so aufwendig geschildert, aber wir haben das einfach völlig unterschätzt, konnten uns das
niemals vorstellen, daß EIN Hund wirklich soviel Arbeit machen soll...” Gibt einem das nicht zu denken? Müssen wir noch Schrecklicheres erfinden, damit uns Bobtailanfänger endlich glauben? Ich gebe es so ungern zu, aber mehr als 50 Prozent meiner abgegebenen Hunde laufen alle regelmäßig mit Kurzhaarfrisur spazieren, einen kleinen Teil schere ich sogar auf Wunsch selber. Ich würde das niemals tun, wenn ich nicht wüßte, daß diese Hunde sehr, sehr glücklich sind mit ihren Familien!
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Ich habe Lady in einem Rutsch mit Naddel als Begleitung aus Ludwighafen abgeholt und ich bekam einen Schreck, als ich sie anfaßte: Ein absolut
undurchdringlicher Filzpanzer umgab den gesamten Hund. Man konnte keine Figur mehr fühlen, keine Rippen, keine Anatomie. Der Hund hatte durch den Filz bereits Bewegungseinschränkungen zu verzeichnen.
Rechts auf dem Bild sitzt Lady, das Bild spricht für sich.
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Die Mutter war zutiefst betrübt und unglücklich, dachte sie doch, sie hätte mit ihrem täglichen oberflächlichem Bürsten - wie beim alten Bernhardiner -
alles richtig gemacht. Augen, Ohren, Maul, After und Vulva waren korrekt freigeschnitten und sauber, die Hundeseele in einem absolut einwandfreiem Zustand, sie wurde abgöttisch geliebt und verwöhnt, nur
leider nicht erzogen. Da die Mutter sie nicht an der Leine halten konnte beim Spaziergang, hat man Nachbarn gebeten, den Hund zum Gassi ab und an auszuführen, aber die konnten auch nicht immer täglich.
So wurde dem Hund kurzerhand in dem gepflasterten Innenhof des Hauses ein Kies-Klo eingerichtet, wo er auch brav seine Geschäfte verrichtete. Auffallend waren für mich die geringe Muskulatur und die
welpenartigen rosa Ballen mit langen, weichen Krallen bei einem 18 Monate alten Hund und siehe da: Der erste Spaziergang bei uns und Lady hatte Löcher in den Pfotenballen!!
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Unter Tränen der Eltern habe ich Lady mitgenommen, sie haben die ersten Tage täglich weinend angerufen, wie es ihr geht. Ich habe heute noch Probleme,
diese Schizophrenie zu begreifen. Es ist also möglich, daß Hundebesitzer einen so völlig zugefilzten OES als Normalzustand empfinden, nicht auf die Idee kommen, daß da was nicht stimmen kann, wenn man
nicht mehr auf die Haut kommt...kann sich das einer vorstellen?? Ich muß an der Stelle auch betonen, daß dieses ältere Ehepaar nicht etwa dumm ist und auch nicht arm. Zum Tierarzt ist man die letzten
Monate auch nicht mehr gegangen, weil man wie schon gesagt den Hund nicht händeln konnte (sie zog wie eine Irre an der Leine!), es gab kein Auto mehr in der Familie und so war Lady auch seit Monaten mit
dem Impfen und einer Wurmkur überfällig. Aufgefallen war ihnen allerdings, daß Lady irgendein Ohrenproblem haben mußte und man hat immer fleißig Ohrenreiniger hineingetan, aber sie hatte Milben.
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Ich habe zuerst noch in der irrigen Annahme gelebt, daß ich Lady entfilzen könnte und das Fell erhalten bleibt, aber es gab für uns beide keine Chance. Für
sie wäre es eine Tortour gewesen, da sie weder das Bürsten auf dem Tisch geschweige denn das „auf-der-Seite-liegen“ kannte. So habe ich sie mit der Schermaschine „ausgezogen“ und der Mantel stand dann
von alleine...wie ein gehäuteter Hund.
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Und Lady? Die fühlte sich anschließend pudelwohl, sprang erlöst wie ein Reh durch den Garten und war einfach nur glücklich, aber so nackend auch ziemlich
häßlich. Und die Moral von der Geschichte? Jeder von uns Züchtern sollte niemals nachlassen in der intensivsten Pflegeschilderung des OES bei jedem Interessenten und wenn es einer wirklich nicht glauben
sollte: Man lasse ihn einen seiner „verfilzten“ Hunde bürsten, nicht nur mal 3 Übungs-qcm am Oberschenkel. Und man sollte dabei auch immer wieder betonen, welch ein Segen in der aufwendigen Hundepflege
liegen kann: Unterordnen des Hundes, Beschäftigung mit dem Hund, Aufbau von Nähe... daß Bürsten für beide zum GENUSS werden kann!
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Und so sah Lady im August 2002 wieder aus, Loriot hätte sie in diesem Stadium bestimmt äußerst ansprechend gefunden! Ihre ehemaligen Besitzer meldeten sich anfangs fast regelmäßig und zwischenzeitlich war Lady mit
ihren neuen Eltern Wilma & Ernst auch schon wieder mal zu Besuch in ihrem alten Zuhause. Sie mochten diesen Hund immer noch so sehr und haben sich über den Besuch
sehr gefreut, aber leider hilft nur die Liebe allein keinem Bobtail fürs normale Hundeleben weiter. |
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Lady ist dann geröntgt worden und hat eine A-Hüfte und gesunde Augen. Ich habe sie daraufhin “mutig” - so kurz wie sie ist - am 11.8.2002 in Rastede in der
Zuchtklasse ausgestellt, hier ihre Bewertung: 21 Monate alte Hündin von gutem Typ, korrekte Größe. Der Oberschädel könnte etwas breiter sein, korrektes
vollzahniges Gebiß, starker Nacken, excellente Oberlinie, sehr starkes Gebäude, schwere Knochen. Excellente Winkelungen, gut geformtes Vorgesicht, gut ausballanciertes Gangwerk, schönes Temperament und
gute Fellqualität. "Vorzüglich 1"
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Ich war baff.....daß ich doch eine nette Richterin erwischt haben sollte, die beim Fell nur auf Qualität und nicht auf die Länge achtet und für die ein
gutes Gangwerk ausschlaggebend war. Habe abends gleich mit den Vorbesitzern ausdauernd geplauscht. Noch einmal brauchen wir eine gute Beurteilung und dann....? Mal sehen  |
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Am 1.9.2002 waren wir nun in Kaltenkirchen zur Ausstellung. Richterin war Joyce E. Collis (GB) und sie beurteilte Lady wie folgt:
Cut down coat, so showed a
very, very good body! Excellent front and rears, good bone, good depth of brisket. Correct proportions of muzzle to skull, good ear-set, very good outline. Showed and moved very well. “Vorzüglich 1”
Lady blieb dann in unserem Rudel und hatte als kräftige und souveräne Hündin die Beta-Führung nach ihrer Mutter Fanny Mae übernommen. Sie ist “zur Zucht
empfohlen” und am 1. Oktober 2002 das erstemal gedeckt worden von dem wunderschönen, soliden Rüden “Happy Panda’s Nicodemo”, gezüchtet von Christina Westig. Es sind schöne Welpen geworden.
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Und so hübsch sah Lady zum Weihnachtsfest 2003 wieder aus! Am 20.12.2003 hat sie ihren 2.Wurf gehabt: 2 wunderschöne, kräftige Mädels
Martha & Maureen. Hier geht’s zu den Bildern vom M-Wurf.
Ich habe Lady nach reiflicher Überlegung schweren Herzens und verantwortungsbewußt danach aus der Zucht genommen, denn es gab bei beiden Würfen mit ihren
Kindern ähnlich gelagerte, gesundheitliche Probleme.
Im August 2012 ist Lady verstorben. RIP, mein großes Mädchen!
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